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KARDIOTECHNIK Ausgabe: 2021/4; 030(4):168-175
DOI: https://doi.org/10.47624/kt.030.168

Evidenzbasierte Medizin in der Perfusionstechnik – oder benötigen wir in der Perfusionstechnik Richtlinien?

Der von Heinz-Hermann Weitkemper in der Kardiotechnik 3/2007 veröffentlichte Artikel zur evidenzbasierten Medizin in der Perfusionstechnik kann auch aus heutiger Sicht mit Fug und Recht als Meilenstein in der Entwicklung des Berufsbildes bezeichnet werden [1]. In dieser Veröffentlichung wird die zu diesem Zeitpunkt noch relativ neue Entwicklung von verbindlichen Richtlinien und Guidelines in der Medizin, und hier speziell in der Kardiotechnik, thematisiert, deren Inhalte sich auf wissenschaftliche Studien und deren kriteriengeleitete Evaluation gründen. Das Verfahren zur Erstellung von klinischen Guidelines wurde z. B. auch von der European  Association for Cardio Thoracic Surgery näher beschrieben [2]. Analog zu dieser Vorgehensweise wurde kürzlich ein weiterer Meilenstein mit der Veröffentlichung von Guidelines zur Führung der extrakorporalen Zirkulation bei Erwachsenen von den drei beteiligten europäischen Fachgesellschaften EACTS, EACTA und EBCP erstellt [3]. Weitere aktuelle Beispiele mit Bedeutung für die Kardiotechnik sind die Richtlinien zu Blood Management [4] und  zur mechanischen Kreislaufunterstützung [5,6].

Als Initialzündung für die Hinterfragung der wissenschaftlichen Grundlagen in der Kardiotechnik gilt vielfach die Veröffentlichung zur evidenzbasierten extrakorporalen Zirkulation von Bartels und Co-Autoren, welche international Beachtung fand [7]. In zahlreichen Fachgesellschaften wurden daraufhin eigene Veröffentlichungen zur Durchführung der extrakorporalen Zirkulation angestrebt, u. a. bei den Kollegen in den USA [8]. Unabhängig davon existieren klinikinterne Standard Operating Procedures (SOP), welche die Vorgehensweise innerhalb einer Klinik verbindlich festlegen.

Weitere wichtige Voraussetzungen zur sicheren Führung einer extrakorporalen Zirkulation sind neben verbindlichen und wissenschaftlich fundierten Festlegungen der klinischen Praxis auch die organisatorischen und strukturellen Bedingungen. Neben einer allgemeinen Definition von Mindestvoraussetzungen von herzchirurgischen Abteilungen werden zunehmend auch die erforderlichen Qualifikationen von Akteuren wichtig [9]. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiotechnik hat daher in konzertierter Aktion mit den weiteren, an der Behandlung von herzchirurgischen Patienten beteiligten deutschen Fachgesellschaften, das Berufsbild und die Qualifikation von Perfusionist*innen festgelegt [10]. Die Bedeutung dieser Publikation ist für die Entwicklung der Kardiotechnik essenziell. Die Professionalisierung von Berufsbildern erfordert neben einer wissenschaftlichen Grundlage der Praxis auch die Weiterentwicklung von Ausbildungsinhalten und -niveaus. Mit der Veröffentlichung des Konsensuspapers hat die Deutsche Gesellschaft für Kardiotechnik das Berufsbild Kardiotechnik nachhaltig geprägt.

Der   Verdienst   von   Heinz-Hermann Weitkemper ist es, die Professionalisierung des Berufsbildes durch die Hervorhebung der Notwendigkeit von evidenzbasierten Kriterien in der Perfusionstechnik mit angestoßen zu haben. Eigene Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiotechnik sind darüber hinaus notwendig, um die berufliche Praxis von Perfusionist*innen auch auf nationaler Ebene verbindlich und nach aktuellen wissenschaftlichen Kriterien festzulegen.

Frank Merkle




Literatur

  1. Weitkemper HH. Evidenzbasierte Medizin in der Perfusionstechnik – oder benötigen wir  in der Perfusionstechnik Richtlinien? Kardiotechnik. 2007: 56-61.
  2. Sousa-Uva M, Head SJ, Thielmann M, et al. Methodology manual for European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) clinical guidelines. Eur J Cardiothorac Surg. 2015; 48: 809-16.
  3. Wahba A, Milojevic M, Boer C, et al. 2019 EACTS/EACTA/EBCP guidelines on cardiopulmonary bypass in adult cardiac surgery. Eur J Cardiothorac Surg. 2020; 57: 210-51.
  4. Boer C, Meesters MI, Milojevic M, et al. 2017 EACTS/EACTA Guidelines on patient blood management for adult cardiac surgery. J Cardiothorac Vasc Anesth. 2018; 32: 88-120.
  5. Feldman D, Pamboukian SV, Teuteberg JJ, et al. The 2013 International Society for Heart and Lung Transplantation Guidelines for mechanical circulatory support: executive summary. The Journal of heart and lung transplantation : the official publication of the International Society for Heart Transplantation. 2013; 32: 157-87.
  6. Potapov EV, Antonides C, Crespo-Leiro MG, et al. 2019 EACTS Expert Consensus on  long-term mechanical circulatory support. Eur J Cardiothorac Surg. 2019; 56: 230-70.
  7. Bartels C, Gerdes A, Babin-Ebell J, et al. Cardiopulmonary bypass: Evidence or experience based? J Thorac Cardiovasc Surg. 2002; 124: 20-7.
  8. Baker RA, Bronson SL, Dickinson TA, et al. Report from AmSECT’s International Consortium for Evidence-Based Perfusion: American Society of Extracorporeal Technology Standards and Guidelines for Perfusion Practice: 2013. J Extra Corpor Technol. 2013; 45: 156-66.
  9. Beckmann A, Beyersdorf F, A. D, et al. Basisstandards einer Fachabteilung für Herzchirurgie. Thorac Cardiovasc Surg 2013; 61: 651-5.
  10. Bauer A, Benk C, Thiele H, et al. Qualification, knowledge, tasks and responsibilities of the clinical perfusionist in Germany. Interactive CardioVascular and Thoracic Surgery. 2020; 30: 661-4.

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