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KARDIOTECHNIK Ausgabe: 04-2023
DOI: https://doi.org/10.47624/kt.032.ADVD4106

EDITORIAL KARDIOTECHNIK 2023/4

Frank Münch

Liebe Mitstreitende und Interessierte,

oftmals werden Veränderungen und Neuerungen zunächst als negativ empfunden. Menschen haben Angst vor dem Unbekannten. Somit bestimmen oft Ablehnung und Zurückhaltung den Alltag. Eine daraus resultierende Technologieskepsis führt dazu, sich nicht auf Neues einlassen zu wollen. Wobei der Wandel durch die digitalen Verteilungs- und Informationsmöglichkeiten in vielen Bereichen unseres Alltags so unendlich schnell geworden ist, dass man selbst als digital affiner Mensch schnell den Überblick verlieren kann. Digital Detox oder digitales Fasten sind Begriffe, die wir nun oft hören, um einer Überflutung und Überforderung entgegenzuwirken.

Diese Schnelllebigkeit zeigt sich auch bei der Veränderung in unserem Beruf als Perfusionist:in. Konzepte, mit denen wir alle großgeworden sind, werden in Frage gestellt. Dabei gilt es, kritisch zu prüfen: Sind alle neuen Konzepte und Verfahren besser oder gibt es auch wissenschaftlich fundierte Gründe Neuerungen wieder zu verwerfen?

Prof. Ernst Derra, ein Pionier der Herzmedizin in Deutschland, war einer der Ersten, der mit standardisierten Methoden Herzoperationen in Serie durchführte und diese systematisch verglich. Waren die neuen Methoden besser, wurden die alten verworfen und diese wiederum mit neuen Ideen aus der Forschung verglichen. Dieser systematische Ansatz, immer verbunden mit dem Drang, Patient:innen die beste Medizin anbieten zu können, sorgte für eine ständige Verbesserung des Fachgebietes. Neben der Weiterentwicklung von Operationen, erkannte Derra sehr früh, dass neue Berufsgruppen entstehen müssen, welche das Fach Herzchirurgie unterstützen. Spezialisierung und Multiprofessionalität zeigen sich in der Zusammenarbeit und Integration verschiedenster Fachgebiete, wie z. B. bei der Behandlung von angeborenen Herzfehlern. Angefangen mit der Einbindung der Anästhesie, die unter Derra in Richtung selbstständige Abteilung, Beschleunigung und Emanzipation ging, konnte er zeigen, dass in seiner Klinik, im Vergleich zu Zentren ohne eigene Anästhesie, signifikant bessere Langzeitergebnisse erzielt wurden. So stand auch die Wiege der Kardiotechnik in Deutschland in Düsseldorf. Unser Gründungsmitglied Josef Güttler war während der ersten Operation in Oberflächenhypothermie mit der „Zertrümmerung des benötigten Eises“ betraut und von dieser Stunde als enger Mitarbeiter von Derra immer dabei [1]. Als „Mann der ersten Stunde“ entwickelte er viele Konzepte der extrakorporalen Zirkulation [2].

Die Gedanken der ständigen Weiterentwicklung extrakorporaler Verfahren und damit des Fachgebietes prägt seit meinen Anfängen in der Kardiotechnik 1995 mein tägliches Handeln. Durch den technischen Background als Medizintechniker und die Erfahrungen meiner Mitstreitenden, die überwiegend aus dem medizinischen Umfeld stammen, erkannte ich schnell, dass es gerade der Mix an vielfältigen Erfahrungen aus Technik und Medizin ist, der das Fachgebiet stärkt und es sich weiterentwickeln lässt. Ich glaube, wir müssen grenzüberschreitend, interdisziplinär und multiprofessionell denken, um die Attraktivität des Berufes der Perfusionist:in für die nachfolgenden Generationen zu stärken. Die Herausforderung der nahen Zukunft, einen gut qualifizierten und ausreichenden Nachwuchs zur Verfügung zu haben, ist gewaltig. Nur mit einer erhöhten Anzahl an Absolvent:innen können wir auf moderne Lebenskonzepte mit z. B. Jobsharing in den Partnerschaften eingehen und neue Arbeitszeitmodelle für unsere Mitarbeitenden umsetzen. Die stationäre Versorgung, in die unser Fach Perfusiologie und technische Medizin fallen, soll nach Plänen von Prof. Dr. K. Lauterbach künftig durch die Einführung von bundeseinheitlichen Leistungsgruppen verbessert werden. Vorhaltepauschalen für spezielle Therapien, wie z. B. ECMO-Einsätze, sollen in Zukunft im Krankenhausfinanzierungplan Berücksichtigung finden [3]. Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen sind geplant und sollten meiner Meinung nach den Funktionsbereich „Perfusiologie und technische Medizin“ beinhalten. Nur so ist es möglich, den Aufbau einer Schwerpunktkrankenversorgung auf höchstem Niveau und rund um die Uhr sowie als personalisierte Medizin für jeden einzelnen Patienten zu gewährleisten. Hier sind Qualitätskriterien festzulegen, die die personelle und strukturelle Ausstattung berücksichtigen [4].

Wir Perfusionist:innen sind heute schon exzellent ausgebildet und belegen dies mittels eines einheitlichen Zertifikats als Qualitätsnachweis [5,6]. Unter der Federführung der DGfK hat sich der Akademische Beirat gemeinsam mit den Hochschulen auf einen zukunftsweisenden Kompetenzkatalog in der Ausbildung geeinigt. Dieses Positionspaper beschreibt die zukünftigen Anforderungen an das Profil einer/s Perfusionist:in und erscheint im ersten Quartal 2024 in „Die Perfusiologie“ unter dem Titel: „Kompetenzen Perfusiologie und technische Medizin 2030“. Flankiert wird das Papier von einer dazugehörigen „Qualifikationsmatrix“.

Im Sinne einer guten wissenschaftlichen Qualität müssen in der Forschung zunächst die richtigen statistischen Tests angewendet und richtig interpretiert werden.

Um diese Kompetenzen weiter zu schärfen, beschreibt Prof. M. Kohl im 8. Statistik-Tutorial dieser Ausgabe anhand klinisch relevanter Beispiele, welche t-Tests bzw. Alternativen für die richtige Darstellung und Prüfung der gewonnenen Daten anzuwenden sind.

Der Übersichtsartikel von Tiedge et al. zum Thema Kinderperfusion 4.0 „Priming“ zeigt erstmals einen Überblick, welche Priminglösungen derzeit in Deutschland verwendet werden. Mit der Interpretation der Ergebnisse und der Einordnung in die aktuelle Literatur dürfte dieser Artikel zukunftsweisend sein und möglicherweise Veränderungen in der Behandlung nach sich ziehen.

In unserer Reihe „Rhythmustherapie“ beschreibt Prof. A. Siebel mit seinem Artikel „Implantation und Nachsorge von Herzschrittmachern“ die leitliniengerechte Herzschrittmachertherapie. Die detaillierte Darstellung durch diesen Artikel in unserer Fachzeitschrift sowie die Möglichkeit, den Nachweis der „Sachkunde Herzschrittmacher-Therapie“ bei der DGK und der DGTHG erlangen zu können, unterstreicht den Anspruch als Perfusionist:in, im Implantations- und Nachsorgeteam mitwirken zu können. An diesem Beispiel der übergreifenden Arbeit zwischen den Fachgesellschaften wird die „Technische Medizin“ greifbar.

Daher freue ich mich, mit euch die Print- und Onlineausgabe der KARDIOTECHNIK zu teilen.

Ich danke Euch vielmals für die Unterstützung des Vorstands und wünsche mir, dass Ihr uns auch weiterhin bei den Bemühungen helft, unser Berufsbild und die Fachgesellschaft weiterzuentwickeln. Ich bin mir sicher, dass wir auch in Zukunft und im fortgeführten gemeinsamen Dialog gute und innovative Entscheidungen treffen werden.

Kollegiale Grüße,

Euer Frank Münch Präsident der DGfK

Literatur:

  1. Böttger PF. Chronik der Deutschen Gesellschaft für Kardiotechnik e. V. (DGfK): Entwicklung der Kardiotechnik in Deutschland seit der ersten Operation am offenen Herzen 1955. Edition Lithaus; 2012.
  2. Farghaly L. Die Geschichte der Herzchirurgie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf – ein Beispiel für Spezialisierung und Multiprofessionalität in der Medizin. Düsseldorf : Franz Steiner Verlag; 2023.
  3. NRW MfAuGuSdL. Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen 2022 [updated 3.10.2023], unter: https://www.mags.nrw/sites/default/files/ asset/document/krankenhausplan_nrw_2022.pdf.
  4. Ärzteblatt. Krankenhausreform: Erster Arbeitsentwurf zu Vorhaltepauschalen und Leistungsgruppen liegt vor. aerteblatt.de, Ärzteblatt 2023, unter: https://www.aerzteblatt.de/ nachrichten/146175/Krankenhausreform-Erster-Arbeitsentwurf-zu-Vorhaltepauschalen-und-Leistungsgruppen-liegt-vor.
  5. Bauer A, Benk C, Thiele H, Bauersachs J, Dittrich S, Dähnert I, Schirmer U, Zwißler B, Jannsens U., Karagiannidis C, Kluge S, Markewitz A, Beckmann A. Qualifikation, Kenntnisse, Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Klinischen Perfusionisten Kardiotechnik (KPK). 2020:3–7.
  6. Bauer A, Benk C, Thiele H, Bauersachs J, Dittrich S, Dähnert I et al. Qualification, knowledge, tasks and responsibilities of the clinical perfusionist in Germany. Interact Cardiovasc Thorac Surg. 2020;30(5):661-5.

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