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KARDIOTECHNIK Ausgabe: 2021/2; 030(2):053-059
DOI: https://doi.org/10.47624/kt.030.053

Die extrakorporale Kohlendioxid-Elimination

In dem 1986 veröffentlichten Artikel, quasi ein Beitrag vor meiner Zeit, von Schulte et al. werden für Kardiotechniker die ersten Schritte einer Differenzierung der ECMO als Lungenunterstützung in einer veno-venösen Konfiguration über eine Doppellumenkanüle und die technischen Schwierigkeiten des Setups beschrieben.

Für uns heute kaum vorstellbar, kommen die Autoren zu der Aussage, dass ECMO im ARDS (akutes Lungenversagen) keine Vorteile gegenüber der konventionellen Therapie bietet. Aber wie kam es zu dieser Aussage? Dazu wollen wir als erstes eintauchen in die Evidenz der frühen 1980er Jahre und die Kritik an einem damals jungen und weitgehend unbekannten Therapieverfahren.

Nachdem das Verfahren ECMO in einer veno-arteriellen Konfiguration bei einem Patienten im ARDS nach einem Verkehrsunfall 1971 erstmals erfolgreich eingesetzt wurde, fand es zunehmend Anwendung und wurde in einer recht großen Studie prospektiv randomisiert untersucht. Die im Artikel erwähnte US-ECMO-Studie, die an 90 Patienten in zwei Gruppen den Therapieerfolg der va-ECMO untersuchte, ergab tatsächlich keine Unterschiede. Aus beiden Patientengruppen überlebten je vier Patienten.

Allerdings war die Studie bereits damals nicht unumstritten und die Kritikpunkte nicht banal. So hatten beispielsweise von den neun teilnehmenden Zentren nur drei bereits überhaupt Erfahrung mit ECMO, es gab keine Einarbeitungszeit oder einheitlichen Antikoagulations- bzw. Behandlungsschemata.

Als „korrekte Interpretation von Resultaten einer schlecht durchgeführten Studie, R. Bartlett“ [1] schob dies der ECMO-Forschung aber erst einmal einen Riegel vor und die damalige „Weltliteratur“ bot kaum Hoffnung für die Behandlung von ARDS- Patienten.

Als nächstes sollte man sich die technischen Möglichkeiten der damaligen Kollegen ansehen. Vorgestellt wurde eine neue, weniger invasive Technik der extrakorporalen Zirkulation mit zwei Oxygenatoren (Austauschfläche 7 m²), die in Reihe geschaltet und durch eine Rollerpumpe versorgt wurden. Heute schaffen wir durch verbesserte Oxygenatormembranen mehr Leistung mit einem Oxygenator mit ca. 2 m² Austauschfläche und erzeugen weniger Bluttrauma mittels Zentrifugalpumpen. Wobei hier beeindruckend ist, dass seinerzeit Einsatzzeiten des Silikonschlauchs in der Rollerpumpe von 20 Tagen und eine Standzeit der Oxygenatoren von 7–13 Tagen dokumentiert wurden.

Technisch herausfordernd war, dass z. B. aus Platzgründen auf einen Wärmetauscher und ein Hypothermiegerät in dem fahrbaren ECMO-Geräteschrank verzichtet wurde. Als Lösung hat man die gesamte ECMO-Einheit mit Plastikfolie umhüllt und mit einem Warmluftgebläse auf Temperatur gehalten. Interessant ist zudem, dass bereits damals, in einem technisch deutlich komplexeren System, auch an Anschlüsse für eine Hämodialyse gedacht wurde, um ein sekundäres Organversagen behandeln zu können. In dem Beitrag werden drei junge ARDS-Patienten beschrieben. Aus unserer heutigen Perspektive werden hier die Grenzen des Möglichen erkundet und erreicht, die maßgeblich mit dem bestehenden Unwissen über die neuen Therapiemöglichkeiten verbunden sind. Der Umstand, dass in der vorgestellten Studie nur einer von drei Fällen überlebte und andere Gruppen Ähnliches berichteten, erklärt auf der einen Seite die Zurückhaltung beim Einsatz.

Andererseits konnte trotz dieser schlechten Datenlage die vv-ECMO, die damals neu als extrakorporale CO2-Elimination benannt wurde, eingesetzt werden, da in ähnlichen Fällen ohne ECMO das Überleben nur bei 10 % lag.

Die Frage nach der Patientenselektion zusammen mit der Schwierigkeit, zuverlässige Prognosen zum Outcome treffen zu können, wurde bereits damals thematisiert. Hierbei war unklar welche Patienten von der Therapie profitieren können und wie sich das prognostisch abschätzen lässt. Umso interessanter ist die Bestimmtheit, mit der manche Aussagen getroffen werden, wie der „offensichtlich irreversible Verlauf“ von Viruspneumonien. Aus der damaligen Perspektive wären die heutigen ELSO-Registerdaten geradezu obszön. Mit weltweit über 16.000 jährlichen Anwendungen und der großen Bandbreite an Behandlungsoptionen können viele vom ARDS betroffene Patienten überleben. Die zweite Pandemie in 10 Jahren wird das Feld der extrakorporalen Unterstützung bei ARDS zusätzlich in den Fokus rücken. Erfreulicherweise hat sich auch die Evidenz entsprechend verändert und so können heute deutlich optimistischere Zahlen für das Überleben an vv-ECMO angegeben werden und finden damit natürlich Eingang in aktuelle Leitlinien [2].

Auch die immense psychische Belastung, sowie der hohe Bedarf an Fachpersonal werden angesprochen und haben bis heute nicht an Bedeutung verloren!

Hätten die Kollegen der 1980er Jahre bereits unsere technischen Möglichkeiten und das damit verbundene Wissen gehabt, wären sie wohl nicht zu der Aussage gekommen, dass die ECMO keine Zukunft hat. Allerdings verwiesen sie darauf, dass es möglich ist, in Einzelfällen zu helfen und dass die zugrundeliegende Erkrankung sehr relevant ist, Prognosen jedoch sehr schwierig zu treffen sind. Das Fehlen von Erfahrung im Management oder zu unbekannten Pathologien sollte uns anspornen, Ideen, die aktuell noch nicht „richtig“ funktionieren, weiter zu verfolgen. Wo dies klinisch und ethisch aktuell noch nicht möglich ist, sollte man die Konzepte in Laborversuchen oder Simulationen erproben. So können wir unseren Beruf zukunftsorientiert weiterverfolgen. Die Zeit neuer Therapieansätze wird sicher kommen und wir als Perfusionist*innen haben dann die passenden, technischen Konzepte „in der Schublade“. Der Paradigmenwechsel in der vv-ECMO zwischen 1986 und heute hat das Potenzial früh unterschätzter Therapien aufgezeigt und wenn etwas nicht funktioniert, so sollten wir uns vielleicht an die Worte von Dr. Robert E. Gross halten: „Why don’t you work on that problem?“

Andreas Teske


Literatur

  1. Peek G, Fortenberry JD. The History of ECMO: First Hand Accounts – Chapter 2; Extracorporeal Life Support: The ELSO Red Book, 5. Auflage.
  2. Fichtner F. Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz, S3 Leitlinie, 2017. https://www.awmf.org/uploads/tx_ szleitlinien/001-021l_ S3_ Invasive_ Beatmung_2017-12.pdf; Abruf am 09.04.2021


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